Assyriologie und Hethitologie
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Kinder im frühen Mesopotamien [abgeschlossen]

Zwischen Schutz und Ausbeutung: Kinder in Tempel- und Palasthaushalten als sozialwirtschaftliches Phänomen im frühen Südmesopotamien (3200-2000 v. Chr.)

Keilschrifttexte sind die frühesten Schriftzeugnisse der Menschheit, die Kinder erwähnen. Schon das Archiv von Eanna in Uruk (ca. 3200 v. Chr.) zeigt die Präsenz von Kindern in diesem Zentralhaushalt. Diese und spätere Verwaltungs- und Rechtsurkunden aus Südmesopotamien (Sumer) belegen damit ein auffallendes sozialwirtschaftliches Phänomen: die Unterhaltung von Kindern hautsächlich aus unterprivilegierten Gesellschaftsschichten in Tempel- und Palasthaushalten. Während diese Minderjährigen einerseits verpflegt wurden, wurden sie andererseits von frühauf als Arbeiter eingesetzt.

Im Unterschied zu anderen Gebieten der Altertumsforschung, in denen das Thema der Kinder in fast völliger Abwesenheit von zeitgenössischen Urkunden geschildert werden muss, begünstigt die Quellenlage für Frühmesopotamien dank zahlreicher Erwähnungen der Kinder die Durchführung einer systematischen Untersuchung.

Das Projekt will die Fragen nach dem "Wie?" und "Warum?" des Phänomens beantworten. Zum "Wie?" gehören folgende Aspekte:

  1. Die Terminologie und demografische Struktur. In den Texten dokumentierte Geschlechts- und Alterskategorien werden interpretiert und zusammen mit dazu gehörigen numerischen Daten quantifiziert. Damit werden die Kategorisierungsschemata für Kinder und ihre demographische Struktur in Haushalten fassbar.
  2. Verpflegung und Arbeitseinsatz. Art und Menge der als Kinder-Rationen festgehaltenen Güter und die Organisation der Kinderarbeit werden in diachroner Perspektive untersucht und in Relation zu Geschlechts- und Alterskategorien gesetzt.

Zum "Warum?" gehört das Ziel, gesellschaftliche Ursachen des Phänomens zu erfassen. Von folgender Hypothese wird ausgegangen: Die Versorgung von Kindern durch die „staatlichen“ Haushalte hatte deutliche sozialökonomische Hintergründe. Einerseits wurden Kinder aus sozial ungesicherten Verhältnissen nicht sich selbst überlassen, wodurch soziale Konfliktpotentiale innerhalb der frühurbanen Gesellschaft entschärft werden konnten. Andererseits waren sie sowohl als Heranwachsende als auch als Erwachsene eine wichtige Arbeitsressource für die Tempel- und Palasthaushalte.

Die erwarteten Ergebnisse der Studie schließen eine Lücke in der Sozialgeschichte des frühen Mesopotamien. Die empirischen Daten und die theoretischen Schlussfolgerungen des Projekts können zu Diskussionen über das Konzept der Kindheit, die Ursachen von Kinderarbeit und die Rolle staatlicher Institutionen beim Kinderschutz beitragen.

Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Förderzeitraum: 2015-2019

Projektleiter

Vitali Bartash